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Ein Dokudrama über Thomas Mann, das ihn mit dem Felix Krull aus seinem Roman „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ verbindet . – Foto: Mindjazz Pictures
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Wolfgang KrömerModerationen/Beitragstext
Die Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas MannIm Augenblick gibt es eine Thomas-Mann-Doku im Kino: Titel: Die Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann. Moment, werden die Belesenen sagen. Der Roman von Thomas Mann heißt doch: Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. - Ja, richtig! Diese Dokumentation geht davon aus, dass in dem Felix Krull viel Autobiografisches steckt. Ja, noch weit mehr: Das Thomas Mann ein heftiges homosexuelles Verlangen hatte, das er in einer Art Doppelleben nicht absolut versteckt, sondern meisterlich kaschiert. Am Ende der Doku wird das noch klarer: Hier lebt ein Künstler sein eigentliches Leben in seiner Schreibkunst.
Die gekonnt präsentierte bürgerliche Fassade andererseits ermöglicht der Familie Mann Finanzreichtum und ein angenehmes Leben, soweit es eben möglich ist, in jener Zeit, in der Thomas Mann lebt. Aufstieg und Fall der Nazis, Flucht der Familie in die Schweiz und in die USA, 1952 Rückkehr in die Schweiz, 1955 die Ehrenbürgerschaft in Lübeck und der Tod.
Die Doku zeigt in einer schönen Kombination, den engagierten Demokraten Thomas Mann und den Freigeist, mit dem homosexuellen Verlangen. Das Online-Portal queer.de schreibt: Thomas Mann, so offen schwul wie noch nie. – Felix Krull wird dargestellt vom jungen Schauspieler Sebastian Schneider, Jahrgang 1991.
In dem Film sehen wir Sebastian Schneider dandyhaft und androgyn in vielen verschiedenen Outfits, manchmal historisch, so wie in den 1920er Jahren, häufig aber auch zeitlos gender-queer, mit Herrenröckchen und femininen Pullovern. Schon allein diese Modenschau ist sehenswert, Modemacher sollten sich davon mal was abgucken.
Ganz offen und schamlos zu sein – das verspricht der Roman den Lesenden. Thomas Mann verkauft das Werk an die eher konventionellen Leser aber so, als Blick von außen.
Genial! Wir, die Anständigen, schauen mit geheuchelten Entsetzen auf den Hochstapler, den wir um seinen Freigeist heimlich beneiden. – Der Roman war übrigens ein Bestseller.
Sebastian Schneider ist ein ausgebildeter Bühnenschauspieler und deswegen genau der Richtige für diesen Film. Denn da muss sein Gesicht etwas Anderes ausdrücken, als das was er gerade hochstaplerisch sagt. - Und dann die Schachtelsätze von Thomas Mann: Sebastian Schneider muss sie nach allen Regeln der Bühnensprache perfekt vortragen. Und das kann! Das ist wirklich eine Freude, mal wieder gekonnt geprochene Texte zu hören. Da wird nichts genuschelt.
Der Film trägt das Label Doku-Drama. Aber das trifft es nicht so richtig. Hier ist keine erzählte Biografie von Thomas Mann zu sehen. Es ist auch keine Literaturverfilmung des Felix-Krull-Romans. Es ist eher ein – Gesamtkunstwerk. Tolle Spielszenen, eindrucksvolle historische Filmaufnahmen und erhellende Thomas-Mann-Tagebucheinträge. Die Zuschauenden werden aufgefordert, sich zu entspannen und ihren Gedanken Raum zu geben.
Noch ein sehr gelungenes Rahmenelement in dem Film ist der Schauspieler und sein Maler. Sebastian Schneider wird von Friedel Anderson porträtiert. Das geht so unglaublich schnell und kunstfertig, dass einem der Atem stockt. Am Anfang nur wenige grobe Striche und dann wird mit Überdecken, Wischen und Spachteln ruck-zuck ein modernes Porträt erstellt. Ein bisschen erinnert das an Bob Ross und The Joy of Painting. Aber der hat ja nur Landschaften gemalt, keine Menschen.
Um es ganz klar zu sagen: Die Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann ist keine Biografie, keine Lebensgeschichte mit klarem Zeitstrahl. Es ist ein Wimmelbild mit Facetten des Dichters Thomas Mann, seiner bürgerlichen Seite und seiner innerlichen Verfasstheit. Kann man ein zweites freigeistiges Leben im realen Leben führen? Und wenn man das tut: Wo ist dann das eigentliche Leben und das eigentliche Ich?
Die Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann, ein Film für Freigeister und solche, die es werden wollen, jetzt im Kino, zum Beispiel im Zeise in Altona.