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Eine Filmkritik von Wolfgang Krömer. Queer läuft zur Zeit im Zeise-Kino und im Studio. Infos auch auf unserer Webseite: www.pinkchannel.net – Termine.
Autorin/Autor des Beitrags
Wolfgang KrömerModerationen/Beitragstext
Der Schauspieler Daniel Craig ist den meisten bekannt als James Bond. Da ist er der draufgängerische Action-Held, der sich in spektakulären Verfolgungsszenen bewähren muss. Ein ganzer Kerl also. Im Film Queer ist er das genaue Gegenteil: Ein gescheiterter drogensüchtiger Typ, der außerdem noch schwul ist. Das kann er an sich nicht wirklich leiden, aber – was soll's – er hat das Geld und kann sich dafür auch junge Männer für eine schnelle Nummer kaufen.Queer ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von William S. Burroughs. – Burroughs hat Queer schon 1952 geschrieben, veröffentlicht wurde der Roman erst 1985. Queer hat starke autobiografische Bezüge, denn auch Burroughs war schwul und drogensüchtig – möglicherweise genauso unglücklich wie sein Protagonist William Lee, den Daniel Craig hervorragend verkörpert. Er spielt den leidenden Drogensüchtigen so realistisch, dass es einem Angst macht.
Daniel Craig als William Lee lebt in Mexiko Stadt der frühen 50er-Jahre. Im Film wird das mit großem Aufwand in Szene gesetzt. Autos, Straßen, Hotelzimmer und Bar-Interieurs – alles wirkt wie aus den 50ern. Lee lebt dort zusammen mit anderen schwulen Männern aus den USA, hier können sie freier leben. Im Film sehen wir ganz unterschiedliche schwule Typen, von jung und attraktiv bis zu alt und tuntig.
Lee ist zwar drogensüchtig und sucht den schnellen Sex gegen Geld – aber eigentlich will er eine echte Beziehung mit Liebe und Verständnis. – Schließlich trifft er auf den attraktiven Eugene Allerton und kann ihn für sich gewinnen. Es kommt zu einer heißen Liebesnacht. Heiß meint hier wirklich heiß: Regisseur Luca Guadagnino [sprich: Kwadahnieno] scheut sich nicht vor Nacktheit – und die Kussszenen zwischen dem alten und dem jungen Mann wirken stürmisch und verliebt. Oft sehen wir die Gesichter in Nahaufnahme und dann zeigt sich das ganze schauspielerische Können von Craig ebenso wie von Drew Starkey, der den jungen Eugene Allerton spielt.
Allerton fühlt sich zwar zu dem Älteren hingezogen, will aber unabhängig sein. Lee will immer wieder bestätigt sehen, dass Allerton ihn liebt. Mit anderen Worten: Lee verpatzt es, wird aufdringlich und peinlich, Allerton will ihn eigentlich los werden, dann macht Lee ihm ein Angebot:
Er will ihn mitnehmen auf eine Reise durch Südamerika, das kann doch eine tolle Erfahrung werden.
Lee verfolgt aber noch eine andere Absicht. Er will in einem bestimmten südamerikanischen Dschungel eine besondere Droge finden, die Telepathie ermöglichen soll. Dann könnte er Gedanken direkt von sich auf Allerton übertragen, ohne etwas sagen zu müssen, dann gäbe es auch keine falschen Worte mehr, dann würden auch die Missverständnisse aufhören.
So der Plan – und Teufel auch: Das klappt. – Natürlich kommt dann doch alles ganz anders wie geplant.
Soviel zum Inhalt, aber worauf lässt man sich ein, wenn man den Film sieht? Auffällig ist die Überlänge: Zwei Stunden und 15 Minuten Gesamtzeit. Für die Zuschauer heißt das: Entspannt euch, lehnt euch im Kinosessel zurück und lasst die starken Bilder, die perfekten Kameraeinstellungen und die kompakten Gefühle auf euch wirken. Nicht etwa denken, ich wollte doch einen Film mit dem Action-Held Daniel Craig. - Obwohl Lee in dem Film ja schon einen älteren Mann spielt, ist Queer doch ein Coming Of Age-Film. Lee wird sich zunehmend verändern, vielleicht versteht er am Ende mehr über das Leben und die Liebe. Klar ist aber auch: Die Kerle in dem Film sind alle Before Stonewall und leiden eher an ihrem Schwulsein, die Revolution kommt später.
Der zweite Teil des Films – wo Lee nach der Droge im Dschungle sucht, hat seinen eigenen Charakter. Er beginnt tatsächlich zunächst mit etwas Dschungel-Action, aber nach der Einnahme der Droge wird es psychedelisch: Surrealismus pur. In 2001 – Odysse im Weltraum gibt es eine Szene, in der irre Farben über die Leinwand mäandern. Hier sehen wir etwas Vergleichbares mit Männerkörpern.
Fazit: Das ist ein spektakulärer Film, in dem alles gegeben wird, was Kamera, Kulissenbau, Maske und Schauspielkunst ermöglichen. Ob der Film aber eine klare Aussage hat und ob der erste und der zweite Teil wirklich zueinander passen, bleibt ein bisschen offen. – Aber das große Plus beim Film Queer: Alles was ihr seht und hört – ja, auch der Sound ist herausragend gut – alles ist besonders ungewöhnlich und unvergesslich.