Schwarz-grüner Koalitionsvertrag Schleswig-Holstein

Schleswig-Holstein hat nun eine schwarz-grüne Regierung. Im Koaltionsvertrag gibt es einen eigenen Programmteil „Queerpolitik“. Sind das echte Versprechungen oder nur blumige Worte? Danny Clausen-Holm vom LSVD Schleswig-Holstein im Interview.

Auszug aus dem Koalitionsvertrag CDU und Grüne Schleswig-Holstein 2022:

Queerpolitik
Ziel unserer Queerpolitik ist, dass alle Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, hres Geschlechtsausdrucks, ihrer Geschlechtsidentität und ihrer körperlichen Beschaffenheit gleichberechtigt und diskriminierungsfrei leben können. Queerpolitik betrifft alle Menschen. Deshalb werden wir Queerpolitik in allen relevanten Politikfeldern berücksichtigen.
Wir wollen uns im Land und auch auf Bundesebene dafür einsetzen, dass bestehende unmittelbare und mittelbare Diskriminierungen queerer Menschen weiter abgebaut werden. Dabei müssen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf die Vielfalt der Lebens- und Familienformen und dem Wunsch gleichgeschlechtlicher Partnerinnen und Partner, eine Familie zu gründen, vom Bund angegangen werden, insbesondere bei der rechtlichen Elternstellung. Die Idee der Verantwortungsgemeinschaft wollen wir konstruktiv diskutieren.
Wir werden auch künftig darauf achten, dass sich die Vielfalt unserer Gesellschaft in der Schule widerspiegelt und in allen Bildungsangeboten ausreichend berücksichtigt wird. Daher setzten wir uns unter anderem für eine vorurteilsfreie, angemessene, altersgerechte Thematisierung dieser Vielfalt explizit auch außerhalb des Sexualkundeunterrichts ein. Hierfür bedarf es auch vielfaltsinklusiver Lehr- und Lernmittel in allen Unterrichtsfächern.
Wir beraten unsere Schulen und Bildungseinrichtungen bei der Vorbereitung auf den Umgang mit intergeschlechtlichen Kindern, ohne oder mit diversem Geschlechtseintrag, rechtlich wie pädagogisch. Hierzu bedarf es auch Fortbildungsangebote für an Schulen tätigem Personal.
Zur Schaffung von mehr Anerkennung und Akzeptanz queerer Menschen und Lebensentwürfe unterstützen wir die Schulen zudem bei der Elternarbeit und informieren verstärkt über den niedrigschwelligen Zugang zu unabhängigen Beratungsstellen.
Wir wollen in Schleswig-Holstein ein gutes und breit gefächertes Angebot an Beratung und Unterstützung sicherstellen. Dafür wollen wir bestehende Strukturen stärken und trägerübergreifende Kooperationen fördern. Hierbei wollen wir insbesondere abseits der
Ballungszentren Angebote zum Beispiel in digitaler oder (teil)mobiler Form ergänzen, um die Angebotslage im ländlichen Raum zu verbessern. Wir werden das Gespräch mit den Kommunen suchen und darauf hinwirken, gemeinsam ein flächendeckendes Angebot im Land zu schaffen.
Um in besonders anspruchsvollen Querschnittsbereichen, wie queere Geflüchtete, pflegebedürftige alte Menschen, Frauen, inter*, trans* und nicht-binäre Personen angemessen beraten zu können, wollen wir die Beratung stärken und fachfremde Beratungsstellen sensibilisieren und unterstützen.
Die bereits bestehenden Bildungs- und Antidiskriminierungsangebote in Schulen, Jugendzentren und anderen Jugendeinrichtungen wollen wir weiter fördern und nachhaltig finanzieren. Mit den Kommunen wollen wir über die Finanzierung der jeweiligen Angebote vor Ort ins Gespräch kommen. Wir wollen die Angebote im Bereich der Erwachsenenbildung verbessern und ein Fortbildungsangebot zur Aus- und Weiterbildung unter anderem von Pädagoginnen und Pädagogen sowie von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in Schleswig-Holstein auflegen. Insbesondere wollen wir dabei dafür Sorge tragen, dass einschlägige Einrichtungen für die psychischen und sozialen Belastungen queerer Jugendlicher sensibilisiert werden. Auch Betrieben soll der Zugang zu diesen Angeboten ermöglicht werden. Wir werden gemeinsam mit Verbänden und Institutionen einen Beratungs- und Handlungsleitfaden für den Umgang mit trans*, inter* und nicht-binären Schülerinnen und Schülern zur affirmativen und unterstützenden Begleitung ihrer Transition erarbeiten.
Uns ist die Verwendung von geschlechtersensibler Sprache wichtig. Sprache ist ein über Jahrhunderte gewachsenes Kulturgut. Gleichwohl entwickelt sich unsere Gesellschaft stetig weiter und mit ihr auch die Sprache. Diesen Prozess wollen wir positiv begleiten.
An Hochschulen darf die Verwendung sowie Nichtverwendung von geschlechtersensibler Sprache nicht zu einer besseren oder schlechteren Bewertung von Studienleistungen führen. Verbindliche Vorgaben dazu lehnen wir ab.
Wir wollen, dass Behörden geschlechtersensibel kommunizieren. Dazu werden wir einen Handlungsleitfaden erarbeiten, der den Behörden in Schleswig-Holstein zu diesem Thema Orientierung geben soll.
Wir treten für eine umfassende Aufklärung über die wesentlichen geschlechtsspezifischen und medizinischen Anforderungen an eine ganzheitliche Gesundheitsversorgung für queere Personen ein. Wir wollen Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen dabei unterstützen, bei Projekten wie zum Beispiel „Praxis Vielfalt“ mitzumachen.
Wir wollen interessierte Akteurinnen und Akteure aus Gesundheits- und Pflegeberufen beim Aufbau eines Kompetenz- und Versorgungsnetzwerks unterstützen und Weiterbildung auch in diesem Rahmen ermöglichen. Um die Versorgungslage mit queer-kompetenten Therapeutinnen und Therapeuten zu verbessern, wollen wir geeignete Maßnahmen für diesen Bereich prüfen.
Gemeinsam mit Organisationen und Initiativen wollen wir den Landesaktionsplan „Echte Vielfalt“ strukturell und finanziell zum Landesaktionsplan „Echte Vielfalt 2.0“ weiterentwickeln. Neben den bisher bestehenden Fördermöglichkeiten für niedrigschwellige Angebote und Projekte werden wir im Rahmen dieser Weiterentwicklung ein Maßnahmenpaket entwickeln, das bestehende Diskriminierungen und psychische Belastungen in den Blick nimmt und zu deren Beseitigung beiträgt. Die Wirkungen wollen wir evaluieren, zum Beispiel mit einer Neuauflage der Studie „Echte Vielfalt“ (2019) zu geeigneter Zeit.